Vom Rosen verkaufen


Vom Rosen verkaufen
bleibt die Erinnerung
an das Glück, fünf Franken das Stück,
und wie es die Damen von den Herren
und die Herren für die Knaben
Nacht um Nacht aus meiner Hand
entgegennahmen.

Bleibt die Erinnerung
an Frau C. und Bankrat G.,
an ihre Lippen, an sein Schnippen
mit dem Finger, an den Kellner in Livree
und an die Blumenvase aus Kristall.
«Schatz, gib däm hübsche Purscht doch no es Fränggli mee.»

Bleibt die Erinnerung
an die Hippies und Proleten,  
an die Rocker, die Propheten und an Dora
und an den Lärm so mancher Diskussion.
An die Schachfreaks an den Brettern, an den Lenin
über allen, Donna Summer aus der Jukebox,
an die verschobene Revolution.

Bleibt die Erinnerung
an den Rummel bei den Tunten,
ihren Fummel und den strengen Schweiss.
An den Gratisdrink bei Hugo und an Dennis,
den Matrosen, der noch mehr als auf die Rosen
auf die Hüpfer so wie mich stand,
bis man ihn dann tot im Rhein fand.

Bleibt die Erinnerung
an die Limo vor der Türe,
an die Combo auf der Bühne und an Cordula
die Schöne, Mutter aller Säufer an der Bar.
An ihr Herz für die Ganoven,
an den Rauch in ihrer Stimme
und an ihr billiges Parfum.

Bleibt die Erinnerung
an die Hoffnung aufzuhören, jede Nacht
es neu zu schwören, an den Drang, weit fort von hier,
auf die Spur zurück zu mir.
Und wenn die Nacht vorüber war, an die Erlösung
jedes Mal, wenn alles Glück verhökert war,
das Honorar beisammen war.

-> In den späten 70er Jahren zog der Autor als junger Mann zwecks Zusatzverdienst eine Zeitlang
durch die nächtlichen Lokale der Stadt Basel und verkaufte schöne, lange rote Rosen an verliebte,
verlassene und verlorene Seelen.